Verdauungstrakt des Pferdes
Der Verdauungsvorgang ist bei Pferden sehr kompliziert und auch sehr empfindlich. Der Magen und der Darm sind ganz fein aufeinander abgestimmt und arbeiten rund um die Uhr ohne Pause. Da der Magen ständig Magensäure produziert – unabhängig davon, ob er gefüllt ist oder nicht – ist eine regelmäßige Füllung des Magens sehr wichtig, um z.B. Magengeschwüren vorzubeugen. Hierdurch wird auch deutlich, wie entscheidend eine bedarfsgerechte Fütterung sowie Haltung zur Pferdegesundheit beitragen kann. Vor allem eine gute und ausreichende Raufütterung ist wichtig, denn entgegen manch anderer Lebewesen ist das Pferd in der Lage, unverdauliche Fasern in seinem Dickdarm mithilfe von Darmbakterien in Energie umzuwandeln.
Wusstest du, dass die Verdauung bereits im Maul beginnt?
Der Anfang wird mit der Futterauswahl gemacht: Pferde sind sehr wählerisch, wenn es um ihr Futter geht. Mit seinen empfindlichen Lippen tastet das Pferd sein Futter ganz sorgfältig ab und kann somit „fühlen“, ob es fressbar ist oder nicht. Das kennst du sicherlich auch: Du mischt deinem Pferd nur ganz wenig unbeliebtes Mineralfutter oder auch Medikamente unter sein Lieblings-Müsli – und übrigbleibt, und zwar sorgfältig sortiert? Na klar! Der unbeliebte Zusatz. Es ist schon sehr erstaunlich, wie akkurat ein scheinbar so großes, grobes Maul arbeiten kann.
Entscheidend ist dann nach der Futteraufnahme der Kau-, bzw. Einspeichelprozess. Durch gutes Kauen wird die Ohrspeicheldrüse zur Speichelproduktion angeregt. Je länger ein Pferd kauen muss, desto mehr wird das Futter eingespeichelt und für den weiteren Verdauungsprozess vorbereitet.
Und weiter geht‘s in den Magen:
Der vorbereitete Futterbrei gelangt nun in den Magen. Der Pferdemagen umfasst ca. 18 Liter und ist somit relativ klein. Der Grund hierfür liegt in der Entwicklung der Pferde. Die Vorfahren des heutigen Pferdes fraßen über den Tag verteilt kleine Portionen, weswegen ein großer Magen nicht notwendig war. Aus diesem Grund ist es besser, deinem Pferd täglich mehrere kleine Portionen Kraftfutter und Raufutter anzubieten; wenn möglich 3 bis 4 Mal täglich. Versuche außerdem dein Pferd jeden Tag zumindest kurz auf der Weide grasen zu lassen.
Der Magen trägt mit seinem sauren Milieu dazu bei, unangenehme Eindringlinge, wie Keime und Bakterien, zu stoppen. Abhängig von der Futterbeschaffenheit verweilt es zwischen 1 bis 5 Stunden im Magen. Nur ein gut eingespeichelter, durchgekauter und klumpenfreier Futterbrei kann mithilfe des Magensaftes ausreichend durchsäuert werden und diesen ohne Gärung verlassen. Die Voraussetzungen für eine gute Dünndarmverdauung sind damit gegeben.
Im Dünndarm werden die Nährstoffe aufgespalten und aufgenommen:
Der Dünndarm des Pferdes ist ca. 20 Meter lang und umfasst insgesamt ca. 64 Liter Volumen. Der Futterbrei passiert den Dünndarm während des Verdauungsprozesses ca. 1,5 Stunden, was eine relativ hohe Geschwindigkeit darstellt. Damit die Nährstoffe ausreichend verarbeitet und nicht unverdaut in den Dickdarm gelangen, sind zum einen kleine Futterrationen und zum anderen nicht zu zucker- und stärkelastige Futtersorten wichtig.
Im Dünndarm werden nun mithilfe von Enzymen aus dem Darmsaft, dem Pankreassaft der Bauspeicheldrüse und dem Gallensaft aus der Leber die im Futterbrei enthaltenen Proteine, Fette und Kohlenhydrate aufgespalten. Die Nährstoffe werden dann über die Dünndarmschleimhaut aufgenommen.
Faserreiche Futtersorten, wie Heu, Gras oder Stroh, werden weitgehend unverdaut zum Dickdarm weitergeleitet.
Dickdarm – Energiequelle des Pferdes:
Der Dickdarm des Pferdes besteht aus dem großen und dem kleinen Kolon und dem Blinddarm. Er hat eine Länge von ca. 8 Metern und umfasst ein Volumen von fast 130 Litern.
Im Dickdarm werden nun mithilfe von Mikroorganismen die faserhaltigen Bestandteile aus dem Raufutter in deren verdaulichen Bestandteile Cellulose, Hemicellulose und Pektin aufgeschlossen. Hierbei entstehen neben B-Vitaminen (z.B. Biotin) vor allem hoch verdauliche Fettsäuren (Propion- und Buttersäure), die über die Dickdarmschleimhaut aufgenommen und dem Körper als Energie bereitgestellt werden. Damit die Mikroorganismen überleben und ihre Aufgabe zu 100% erfüllen können, ist ein Mindest-Rohfasergehalt im Futter essentiell.
Wenn die Verdauung bei Pferden Probleme macht
Der Verdauungstrakt bei Pferden ist äußerst empfindsam und kann somit leicht in seiner Balance gestört werden. Es ist daher wichtig, diese Störungen schnell zu erkennen und zu beheben, um gesundheitlichen Problemen bei deinem Pferd vorzubeugen.
1. Probleme mit dem Pferdemaul
Bei Pferden, die scheinbar unter Appetitlosigkeit leiden oder plötzlich stark abmagern, lohnt sich ein kritischer Blick ins Pferdemaul. Nicht selten sind Zahnprobleme oder Entzündungen in der Mundhöhle die Ursache einer schlechten Futterverwertung. Lese dazu auch unseren Beitrag „Pferdefutter bei Zahnproblemen“.
Häufige Gebiss-Probleme können sein:
- Kaubeschwerden: Die Backenzähne des Pferdes nutzen durch die mahlende Kaubewegung allmählich ab. Eine unregelmäßige Abnutzung kann zu scharfen Ecken an den Backenzähnen führen (Haken). Diese scharfen Kanten verursachen kleine Wunden auf der Zunge und auf der Innenseite der Backe, wodurch das Kauen schmerzhaft wird und dein Pferd weniger gut kaut.
- Gebiss-Anomalien: Einige Pferde haben einen abweichenden Kieferstand, wie ein Hechtmaul (der Unterkiefer ist länger als der Oberkiefer) oder ein Schweinemaul (der Unterkiefer ist kürzer als der Oberkiefer). Es gibt auch Pferde mit schiefem Gebiss, was oft durch zu viele Zähne (Backenzähne, Milchzähne, die sitzen bleiben) verursacht wird. Hierdurch können Pferde das Futter nicht fein genug mahlen, so dass es nicht optimal verdaut werden kann.
2. Probleme mit der Speiseröhre
Die Speiseröhre transportiert die Nahrung aus dem Maul zum Magen. Wenn dein Pferd zu gierig frisst – und dadurch „vergisst“ ausreichend zu kauen – können große Stücke der Nahrung (Möhren, Rübenschnitzel) oder klebende Futterbrocken (halb-trockenes Brot) in der Speiseröhre stecken bleiben, was zu einer schmerzhaften Verstopfung führt. Dieses Problem ist auch bekannt als „Schlund-Verstopfung“.
Erste-Hilfe-Maßnahme: Manchmal hilft eine leichte Massage der Speiseröhre, um den Durchfluss wieder in Gang zu bringen. Warte jedoch nicht zu lange damit, deinen Tierarzt einzuschalten, denn je öfter sich ein Pferd verschluckt, desto größer ist die Gefahr, dass Flüssigkeit in die Lungen läuft und eine Lungenentzündung verursacht.
3. Probleme mit dem Magen
Wusstest du, dass ca. 60% aller Sportpferde und sogar 90% der Rennpferde Magenbeschwerden haben? Oft werden dieses durch kleine Geschwüre auf der Innenseite der Magenwand verursacht, die durch ein mangelndes Gleichgewicht zwischen Rau- und Kraftfutter, zu große Portionen Kraftfutter und/oder Stress entstehen.
- Der Pferdemagen bildet ständig Magensäure – egal ob er mit Futterbrei gefüllt ist oder nicht. Bei zu langen Fresspausen werden die konzentrierten Magensäfte unzureichend verdünnt. Dies greift die Magenschleimhaut besonders stark an und kann die Entstehung von Magengeschwüren fördern.
- Werden Pferde überwiegend mit Kraftfutter und zu wenig Raufutter gefüttert, verbleibt dieses länger im Magen, so dass es zu einer unerwünschten Vergärung der Stärke durch Milchsäurebildner kommen kann. Kommt außerdem hinzu, dass Pferde das Kraftfutter unzureichend vorkauen und einspeicheln, kann der Futterbrei schlechter durchgesäuert werden, so dass Gärungsbakterien länger überleben können. Auch dies kann ein Magengeschwür begünstigen.
- Auch eine Magenüberfüllung ist eine häufig vorkommende Ursache von Magenbeschwerden, z.B. durch stark quellende Futtermittel. Die Magenüberfüllung ist daran erkennbar, dass dein Pferd zu lange nicht abkotet. Ein gesundes Pferd kotet regelmäßig bis zu 15 Mal pro 24 Stunden. Die Verstopfung geht mit Schmerzen einher, wodurch das Pferd Kolik Erscheinungen zeigt. Auch Mangel an Bewegung kann zu dieser Art von Verstopfung führen.
4. Probleme mit dem Darm
-
Zu viel Stärke und Zucker im Dickdarm: Da die Verweildauer im Dünndarm verhältnismäßig kurz ist, kommt es dort bei einer zucker- und stärkelastigen Fütterung zu einer unzureichenden Verdauung. Die Enzyme haben nicht ausreichend Zeit, die Kohlenhydrate aufzuspalten, so dass ein Teil in den Dickdarm gelangt. Hierdurch wird der Prozess der Dickdarm-Mikroorganismen gestört und es kommt zu Schleimhautreizungen, Koliken und Hufrehe. Auch die Bildung der B-Vitamine sowie die Energiegewinnung werden in Mitleidenschaft gezogen.
- Zu viel Eiweiß im Dickdarm: Auch ein stark eiweißreiches Futter kann nicht ausreichend vom Dünndarm verarbeitet werden, so dass ein Eiweißüberschuss im Dickdarm entsteht. Die Darmbakterien müssen dann Eiweiße für die Energiegewinnung nutzen und spalten den nicht verwertbaren Stickstoff in Form von Ammoniak ab. Das Zellgift gelangt dann über die Blutbahn in die Leber, wo es zu Harnstoff umgewandelt und schließlich über die Nieren ausgeschieden werden muss. Eine zu eiweißhaltige Fütterung kann somit auch zu einer Überbelastung von Leber und Nieren führen.
Kolik – ein allgemeines Problem des Magen-Darmtraktes beim Pferd
Kolik ist ein Sammelbegriff für Bauchschmerzen. Im Verdauungstrakt des Pferdes können an verschiedenen Stellen Verstopfungen, Anhäufungen von Gas oder Verschiebungen auftreten, oft mit einer Kolik als Folge. Eine Kolik wird meistens durch falsche Fütterung, Wurminfektionen oder schlecht gepflegte Zähne verursacht. Andere Ursachen sind Krämpfe, eine Entzündung oder eine Lähmung des Darms.
Erste-Hilfe-Maßnahme: Kontaktiere im Falle einer Kolik sofort deinen Tierarzt und beschreibe ausführlich die Symptome, die du bemerkt hast. Bis der Tierarzt eintrifft ist es empfehlenswert, dein Pferd ruhig zu führen, aber es nicht dazu zu zwingen. Wenn sich dein Pferd hinlegen oder wälzen möchte, dann ist dies auch kein Problem. Entferne das Futter und biete deinem Pferd ab und zu etwas Wasser an. Sorge dafür, dass sich dein Pferd nicht verletzt oder durch starkes Schwitzen erkältet.
Wie du mit der Fütterung die Verdauung deines Pferdes unterstützt
Gerade bei Pferden, die eine Neigung zu Verdauungsproblemen haben, aber auch bei gesunden Pferden, ist es wichtig, mit einer bedarfsgerechten Fütterung und Haltung die Verdauung deines Pferdes zu fördern. Folgende Tipps können helfen, den Magen-Darm-Trakt deines Pferdes zu unterstützen und somit sein Wohlbefinden zu steigern:
- Fördere das natürliche Fressverhalten deines Pferdes und vermeide lange Fresspausen (max. 4 Stunden).
- Lasse die Zähne und die Mundhöhle deines Pferdes regelmäßig durch einen Fachtierarzt prüfen.
- Sorge für eine ausreichende Raufütterung. Ein Pferd benötigt 1,5 – 2,0% seines Körpergewichts an Raufutter (Trockenmasse).
- Achte auf eine bedarfsgerechte Kraftfutter-Fütterung, sollte dein Pferd neben Raufutter oder Raufutterersatz zusätzliche Energie benötigen. Das Kraftfutter sollte weder zu zucker- und stärkehaltig noch zu eiweißhaltig sein und an die Bedürfnissen deines Pferdes angepasst sein, z.B. Pavo Nature‘s Best, Pavo SpeediBeet oder Pavo FibreBeet.
- Vermeide zu große Mengen Kraftfutter pro Mahlzeit. Füttere lieber kleine Portionen mehrmals am Tag. Ideal sind mind. 3-4 Portionen.
- Unterstütze dein Pferd bei Bedarf mit einem speziellen Ergänzungsfutter, welches eine stabile Darmfunktion fördert.
- Verwende ausschließlich Rau-, Kraft- und Ergänzungsfutter in einwandfreier Qualität.
- Gönne deinem Pferd nach der Fütterung eine Pause und verzichte auf eine direkt anschließende Arbeit mit deinem Pferd.
- Vermeide einen permanenten Stress-Pegel bei deinem Pferd. Pferde brauchen gute Nerven für eine gesunde Verdauung.
- Vermeide den Kontakt mit Giftstoffen und Giftpflanzen. Auch wenn Pferde sehr sorgfältig bei der Futterauswahl sind, so kann auch das Eine oder Andere einmal durchgehen.
- Sorge für ausreichend natürliche Bewegung bei deinem Pferd, z.B. durch täglichen Weidegang und/oder Offenstallhaltung. Dies fördert nicht nur die Verdauung, sondern stärkt außerdem das Herz-Kreislaufsystem.
- Sei sparsam mit der Gabe von Medikamenten, besonders mit Antibiotika. Alle oralen Beigaben müssen den Magen-Darm-Trakt passieren und zerstören dabei auch nützliche Verdauungsbakterien.
- Auch Parasiten können Verdauungsprobleme verursachen. Lasse den Kot deines Pferdes daher regelmäßig kontrollieren und gebe entsprechende Wurmkuren.
Lies auch:
> Pferdefutter bei Zahnproblemen
> Hufrehe beim Pferd durch Zucker und Stärke